Montag, 26. Oktober 2015

"Can you sit on my belly?"

In Leipzig habe ich letztens etwas faszinierendes, aber auch teilweise abstoßendes erlebt: mit einigen alten Freunden und Ex-Klassenkameraden war ich abends in der Innenstadt unterwegs. Wir haben uns mit einem Bierchen an einem der letzten warem Sommerabende auf eine Bank im Park gesetzt, und über die alten Zeiten geplaudert - über die Lehrer, die Mitschüler und all die albernen Späße und Witze, mit denen wir uns damals den Schulalltag versüßt haben.

Irgendwann kam dann ein bärtiger Mann auf uns zu. Es war schon gegen Mitternacht, allzu lange wollten wir nicht mehr bleiben, da es auch etwas frisch wurde. Immerhin war es Anfang September, es kühlt sich nun nachts (endlich) wieder etwas ab.
Der Mann sah etwas ungepflegt aus, er trug eine Jogginghose und eine (soweit das in der Dunkelheit zu erkennen war) ausgeblichene, alte Strickjacke. Trotzdem wirkte er nicht wie ein Obdachloser, sondern vielmehr wie ein Mensch, der einfach mit den nötigsten Dingen im Leben auskommt.
Ein Mensch, an dem wir uns in unserer Wohlstandsgesellschaft alle ein Beispiel nehmen können.

Er ging zielstrebig auf uns zu und sprach uns auf englisch an: "Good night boys. Is there anyone who could sit on my belly? I'm doing that for some kind of meditation." Er war also eine Art Fakir und bat uns doch allen ernstes, einige Zeit auf seinem Bauch zu sitzen. Wir waren (verständlicher Weise) zunächst etwas abweisend und unentschlossen, aber je mehr wir uns mit der Person unterhielten, umso größer wurde unser Interesse herauszufinden, was denn das besondere an dieser Aktion ist.
Wir saßen dann abwechselnd auf seinem Bauch, während er regungslos daliegend meditierte.

Anschließend bedankte er sich und verschwand in der dunklen Nacht Leipzigs. Da der Mann dies aus vollster Überzeugung tat, fragten wir uns nicht weiter und gingen dann gegen 02:00 Uhr nachts um eine Erfahrung reicher unserer Wege.

Seitdem mich letztens ein Reisender nach Schließen der Tür bat, diese erneut zu öffnen, weil er sein Fahrrad im Zug vergessen hatte (!?) - seitdem habe ich mir vorgenommen, mir nicht mehr wegen jeder fraglichen oder unverständlichen Situation den Kopf zu zerbrechen.
Manchmal passieren eben Dinge ohne druckreife wissenschaftliche Erklärung, und ich akzeptiere das mittlerweile. In der Religion ist es ja auch nicht anders: vieles hängt vom Glauben ab.

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